„Islamischer Religionsunterricht kann für Kinder aus muslimischen Elternhäusern Normalität in dem wichtigen Bereich der religiösen Bildung schaffen und dazu beitragen religiöse Identität zu bilden. Das ist die Grundlage für einen von Toleranz geprägten Umgang mit Menschen anderer Religion oder Weltanschauung. In diesem Sinne ist das Angebot von islamischem Religionsunterricht auch als ein Beitrag im Rahmen des rheinland-pfälzischen Integrationskonzepts zu sehen“, unterstrich Bildungsstaatssekretärin Vera Reiß heute zum Auftakt einer Fachtagung im Ludwigshafener Heinrich-Pesch-Haus, die den Einstieg in dieses Projekt bildete.
Bei der Tagung, die in einer Kooperation zwischen dem Bildungsministerium, dem Wilhelm-von-Humboldt-Gymnasium in Ludwigshafen, dem katholischen Bildungszentrum Heinrich-Pesch-Haus und der Evangelischen Akademie der Pfalz gestaltet wurde, geht der Blick auch über die Grenzen des Landes hinaus. Referentinnen und Referenten aus Schule und Hochschule berichten über Erfahrungen in Bayern, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen aber auch aus Österreich, wo der islamische Religionsunterricht - allerdings unter anderen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen - schon eine lange Tradition hat.
Das Projekt des islamischen Religionsunterrichts in weiterführenden Schulen, das modellhaft in Ludwigshafen gestartet wird, findet sowohl in der Region als auch landesweit große Aufmerksamkeit. Rund 28.000 Schülerinnen und Schüler islamischen Glaubens besuchen derzeit rheinland-pfälzische Schulen. Die Ludwigshafener Oberbürgermeisterin Dr. Eva Lohse betonte denn auch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung des islamischen Religionsunterrichts und rief dazu auf, Vorurteile abzubauen. Sie erhoffe sich von dem Modellprojekt einen grundlegenden Lerneffekt nicht nur für die betroffenen Schülerinnen und Schüler, sondern darüber hinaus für die gesamte Gesellschaft und besonders für die muslimische Gemeinschaft in Deutschland. „Dieser Unterricht kann dazu beitragen, dass wir lernen: Der Islam ist ein Teil unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit. Und er kann dazu beitragen, dass die Muslime in unserem Land lernen: Wir sind Teil einer offenen und toleranten Gesellschaft, die ihren Mitgliedern eine freie Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht und die die religiöse Überzeugung jedes einzelnen achtet und schützt", sagte Dr. Eva Lohse.
Für den islamischen Religionsunterricht werden die gleichen Regelungen gelten wie für andere Unterrichtsfächer. Er wird in deutscher Sprache erteilt, benotet und unterliegt der staatlichen Schulaufsicht. Derzeit sind an mehreren Ludwigshafener Schulen Arbeitsgemeinschaften zur islamischen Religion eingerichtet. Der reguläre islamische Religionsunterricht soll im Schuljahr 2009/10 beginnen. Zur inhaltlichen Vorbereitung wurde eine Lehrplankommission berufen, die derzeit einen Rahmenlehrplan erarbeitet. Um möglichst zügig Lehrkräfte für den islamischen Religionsunterricht qualifizieren zu können, hat das Land Rheinland-Pfalz ein Verwaltungsabkommen mit dem Land Baden-Württemberg geschlossen. Danach können rheinland-pfälzische Lehrkräfte an dem Erweiterungsstudiengang „Islamische Theologie/Religionspädagogik“ an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe teilnehmen. Das Studium umfasst 12 Semesterwochenstunden und dauert 2 Semester. Nach erfolgreichem Abschluss erhalten die Absolventinnen und Absolventen aus Rheinland-Pfalz die Unterrichtserlaubnis für das Fach Islamischen Religionsunterricht. Aktuell haben fünf rheinland-pfälzische Lehrkräfte dieses Weiterbildungsstudium aufgenommen.
Hintergrund:
Am 5. und 6. Dezember 2008 findet im Heinrich-Pesch-Haus in Ludwigshafen die Auftaktveranstaltung zu dem Modellprojekt „Islamischer Religionsunterricht in der Sekundarstufe I“ statt. Bereits seit dem Schuljahr 2003/2004 wird an der Grundschule Pfingstweide in Ludwigshafen-Edigheim auf der Basis eines Antrags des christlich-islamischen Gesprächskreises und der türkischen Frauenbildungsstätte IGRA e.V. islamischer Religionsunterricht in deutscher Sprache nach einem vom Land genehmigten Lehrplan erteilt. Das Projekt ist erfolgreich, das zeigen beispielsweise viele positive Rückmeldungen von Eltern, aber auch das anhaltend hohe Interesse der Kinder. Mehr als 100 Kinder besuchen an der Grundschule Pfingstweide den islamischen Religionsunterricht, der seit diesem Schuljahr auch an der Grundschule Mainz-Lerchenberg angeboten wird.
Bei der beabsichtigten Ausweitung des islamischen Religionsunterrichts sollen zum einen weitere Grundschulen einbezogen werden. Entsprechendes Interesse wurde bereits von islamischer und von deutscher Seite unter anderem in Worms, Koblenz und Frankenthal angemeldet. Zum anderen soll der islamische Religionsunterricht auch auf weiterführende Schulen ausgeweitet werden, zunächst im Rahmen eines Modellprojekts. An diesem Modellprojekt werden sich mehrere weiterführende Schulen aller Schularten in Ludwigshafen beteiligen.