Islamische Verbände in Rheinland-Pfalz

In Rheinland-Pfalz leben circa 200.000 Musliminnen und Muslime. Zur Stärkung des muslimischen Lebens in Rheinland-Pfalz und zur wichtigen Integration aller Menschen in das gesellschaftliche Leben ist die Landesregierung bestrebt, auch die Zusammenarbeit mit Musliminnen und Muslimen auf einer vertraglichen Grundlage zu regeln. Für die Musliminnen und Muslime in Rheinland-Pfalz ist dies ein sehr wichtiges Zeichen, das über Rheinland-Pfalz hinaus Wirkung entfaltet. Aufgrund des Putschversuchs in der Türkei im Sommer 2016 wurden die vorliegenden Gutachten zu den islamischen Verbänden Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V., Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e. V., Landesverband der Islamischen Kulturzentren Rheinland-Pfalz e.V. (LVIKZ) und Ahmadiyya Muslim Jamaat K. d. ö. R. (AMJ) um Zusatzgutachten ergänzt, um die hinreichende Unabhängigkeit von Einflüssen Dritter auf die Landesverbände zu untersuchen.

Am 13. August 2018 wurden die vom MWG im Januar 2017 beauftragten Zusatzgutachten zu den islamischen Verbänden vorgelegt. Am 29.08.2018 wurden die Zusatzgutachten durch die Gutachter Prof. Dr. Christoph Bochinger (religionswissenschaftliches Zusatzgutachten) und Prof. Dr. Stefan Muckel (rechtswissenschaftliches Zusatzgutachten) sowie das weitere Vorgehen der Landesregierung in einer Pressekonferenz des Ministeriums für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur unter Beteiligung des Landesbeauftragten für Migration und Integration und des Bildungsministeriums vorgestellt. Die Gutachter bestätigten das Ergebnis der Erstgutachten, dass es sich bei allen vier Verbänden um Religionsgemeinschaften im Sinne des Grundgesetzes handelt. Zugleich haben sie aufgezeigt, dass in einzelnen Verbänden noch strukturelle Mängel bestehen, die beseitigt werden müssen, damit diese vollumfänglich als Religionsgemeinschaften im Sinne von Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz und Art. 34 der Landesverfassung gelten können. Für die einzelnen Verbände wurden in den Zusatzgutachten folgende, wesentliche Ergebnisse festgestellt:

Die Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V. ist über den DITIB-Bundesverband mittelbar mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet verflochten. Diese Verflechtung ist religionsrechtlich nicht zu beanstanden. Allerdings ist für eine Kooperation mit dem Land die enge Verflechtung da aufzuheben, wo die institutionellen und organisatorischen Strukturen einen politischen Einfluss der Diyanet auf die Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V. und ihre Mitgliedsgemeinden dergestalt ermöglichen, dass ihre Grundsätze nicht Ausdruck ihrer religiösen Selbstbestimmung sind. Die Verflechtung bewegt sich auf drei Ebenen: die mögliche Mitgliedschaft türkischer Beamter in Leitungsgremien auf Landesebene, die Entsendung von Religionsbeauftragten (Imamen) und die Verflechtung zwischen der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V. und dem Vorstand der DITIB-Bundesebene. Die Zusatzgutachten empfehlen der Landesregierung, auf eine stärkere Unabhängigkeit der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e. V. hinzuwirken, um bereits eine potentielle politische Einflussnahme auszuschließen.

Die Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e. V. hat sich in der Zeit zwischen den Erstgutachten und den Zusatzgutachten erheblich verändert. Während acht Moscheegemeinden ausgetreten sind, sind neun Moscheegemeinden, die alle der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) zugehörig sind, eingetreten. Das rechtswissenschaftliche Gutachten sieht diese Veränderung als unerheblich für den Charakter der Schura als Religionsgemeinschaft an. Der Gutachter mahnt aber an, dass für eine Zusammenarbeit mit dem Land alle Moscheegemeinden innerhalb der Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e. V. ihre Einstellung zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung klarstellen müssen. Darüber hinaus müssen alle Strukturen beseitigt werden, die einen organisatorischen oder institutionellen Einfluss von weiteren Dachverbänden ermöglichen, der die eigenständige Willensbildung und selbstbestimmte Formulierung der inhaltlichen Grundsätze der Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e. V. gefährdet. Die Problematik besteht bei sechs der neu eingetretenen IGMG-Gemeinden, kann potentiell aber alle Mitgliedsgemeinden der Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e. V. betreffen, sofern sie Mitglied in einem weiteren Dachverband sind, sodass dieser Umstand insgesamt behoben werden muss. Eine Verflechtung einzelner Gemeinden oder Mitgliedsvereine mit anderen Dachverbänden ist prinzipiell nicht zu beanstanden. Sie führt erst dann zu einem Hindernis, wenn die Verfasstheit der Gemeinden oder Mitgliedsorganisationen derart ist, dass die Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e. V. ihre identitätsstiftenden Aufgaben für ihre Mitgliedsvereine und Mitgliedsgemeinden nicht mehr ungehindert wahrnehmen kann.

Der Landesverband der Islamischen Kulturzentren Rheinland-Pfalz e. V. zeigt keine zu beanstandenden Einflussmöglichkeiten durch Dritte auf. Die Gutachter regen eine transparentere Öffentlichkeitsarbeit an. Strukturelle, organisatorische oder institutionelle Probleme bestehen nicht.

Die Ahmadiyya Muslim Jamaat K. d. ö. R. (AMJ) weist keine zu beanstandenden Einflussmöglichkeiten durch Dritte auf. Die Gutachter regen eine transparentere Öffentlichkeitsarbeit an. Strukturelle, organisatorische oder institutionelle Probleme bestehen nicht.

Auf der Grundlage der Ergebnisse und Empfehlungen der beiden Gutachter hatte sich die Landesregierung für folgenden Weg entschieden:
Die im August 2016 unterbrochenen Vertragsverhandlungen mit den vier islamischen Verbänden werden nicht fortgesetzt. Neben der Nichtwiederaufnahme der Verhandlungen folgte die Landesregierung der Empfehlung der Gutachter und richtete ein Format ein, das die Grundlagen für eine mögliche vertragliche Zusammenarbeit vereinbart und als langfristiges Ziel am Abschluss eines Vertrages mit den vier islamischen Verbänden festhält. Dazu hat die Landesregierung mit den Verbänden jeweils eine „Zielvereinbarung“ verhandelt und am 1. April 2020 unterzeichnet. Diese beschreibt die gemeinsamen Wertegrundlagen, die konkreten strukturellen Veränderungen, die notwendig sind, damit der jeweilige Verband vollumfänglich als Religionsgemeinschaft im Sinne von Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz und Art. 34 der Landesverfassung gelten kann, und benennt die durch die Landesregierung erfolgenden Begleitprozesse. Nach 18 Monaten werden die Landesregierung und die islamischen Verbände bewerten, ob die Ziele erreicht wurden. Bei positiver Evaluation können die Gespräche über einen Vertrag zwischen der Landesregierung und den islamischen Verbänden wieder aufgenommen werden.

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