| Religion

Landesregierung schließt Zielvereinbarungen mit islamischen Verbänden

Nachdem der rheinland-pfälzische Ministerrat gestern den Weg freimachte, unterzeichnete heute der für Religionsgemeinschaften zuständige Minister Konrad Wolf Zielvereinbarungen mit vier islamischen Verbänden – der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e.V., der Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e.V., dem Landesverband der Islamischen Kulturzentren Rheinland-Pfalz e.V. (LVIKZ) und der Ahmadiyya Muslim Jamaat K.d.ö.R. (AMJ). 

Die Landesregierung hatte im August 2018 entschieden, die im Sommer 2016 ausgesetzten Vertragsverhandlungen nicht fortzusetzen. Sie folgte vielmehr dem Vorschlag zweier nach dem Putschversuch in der Türkei eingeholter Zusatzgutachten, in strukturierten Gesprächen mit den Verbänden zu bleiben und mit ihnen zunächst Vereinbarungen zu treffen, wie bestehende Hindernisse für eine Zusammenarbeit mit dem Land beseitigt werden können. Diese Vereinbarungen liegen nun als Zielvereinbarungen vor. 

In den Zielvereinbarungen bekräftigen die Unterzeichnenden die freiheitlich-demokratische Grundordnung als gemeinsame Grundlage der Zusammenarbeit. Die Verbände verpflichten sich, die von den Gutachtern aufgezeigten Mängel zu beseitigen. Die Landesregierung ergreift ihrerseits Maßnahmen zur Stärkung des muslimischen Lebens in Rheinland-Pfalz. 

„Wir haben konstruktive und offene Gespräche auf Augenhöhe geführt. Mit den Zielvereinbarungen haben wir konkrete Vereinbarungen getroffen. Sowohl die Verbände als auch die Landesregierung haben die Anforderungen der Zusatzgutachten sehr ernst genommen und Lösungen erarbeitet. Denn für uns als Land ist klar: Mit den Zielvereinbarungen verpflichten sich die Verbände, ihre Angelegenheiten selbstständig zu verwalten, ihre Willensbildung selbstbestimmt zu vollführen und damit frei vom politischen Einfluss Dritter zu wirken. Das ist die Grundlage für die Fortsetzung des Weges“, so Staatsminister Konrad Wolf. „Mit den Zielvereinbarungen können wir als Landesregierung jetzt schon konkrete Maßnahmen auf den Weg bringen, um langfristig die Zusammenarbeit mit Musliminnen und Muslimen auch vertraglich zu regeln. Damit folgen wir dem Votum der wissenschaftlichen Gutachter im Sinne der muslimischen Bürgerinnen und Bürger. Mit der heutigen Unterzeichnung schließen die wir die Verhandlungen zu den Zielvereinbarungen erfolgreich ab. Für die Umsetzungen der darin formulierten Ziele haben wir 18 Monate vereinbart. Dann werden beide Seiten Bilanz ziehen.“ 

Die Zielvereinbarungen umfassen eine Präambel, die Formulierung der gemeinsamen Wertegrundlagen und die Laufzeit sowie eine Schlussformel. Als Beiträge des Landes werden Gespräche über eine mögliche Struktur eines Islamischen Religionsunterrichts und über die Einrichtung einer Lehramtsausbildung im Bereich Islamische Theologie am Universitätsstandort Koblenz festgehalten. Der beim Integrationsministerium angesiedelte Runde Tisch Islam soll gestärkt und der bereits begonnene Dialog- und Verständigungsprozess fortgesetzt werden. 

„Die intensiven Gespräche mit den vier islamischen Verbänden haben nicht nur das gegenseitige Vertrauen gestärkt, wir schaffen mit den Zielvereinbarungen auch klare Verbindlichkeiten und somit Orientierung für alle Beteiligten“, so Miguel Vicente, Beauftragter der Landesregierung für Migration und Integration.

Die Verbände werden nach der Umsetzung der Zielvereinbarungen ihre rechtlichen und tatsächlichen Strukturen so ausrichten, dass sie unabhängig vom unzulässigen Einfluss Dritter sind. Die konkreten Einzelbeiträge der islamischen Verbände leiten sich von den Vorgaben der Zusatzgutachten ab. So sichern LVIKZ und AMJ zu, eine transparente Öffentlichkeitsarbeit aufzubauen. DITIB Rheinland-Pfalz verpflichtet sich, geeignete Satzungsänderungen vorzunehmen, um eine hinreichende Unabhängigkeit vom politischen Einfluss der Türkei sicherzustellen. Die festgehaltenen Maßnahmen betreffen die Zusammensetzung der verbandseigenen Kommission für den Islamischen Religionsunterricht und die Kandidatenwahlvorschläge für den Landesvorstand, die zukünftig grundsätzlich durch die rheinland-pfälzischen Mitgliedsgemeinden erfolgen sollen. Daneben werden eigene personelle Ressourcen auf Ebene des Landesverbands aufgebaut und diesem zudem die Möglichkeit eingeräumt, bei Verstößen Disziplinarverfahren gegen von der Diyanet entsandte Imame einzuleiten. Bereits im Februar 2019 hatte die Schura Rheinland-Pfalz ein internes Konfliktmanagement eingerichtet, um Konflikte mit einzelnen Mitgliedsgemeinden zu lösen. Der Landesverband richtet zudem eine verbandseigene Kommission für den Islamischen Religionsunterricht ein. Auch verpflichtet sich die Schura Rheinland-Pfalz, eine geeignete Anpassung der Regularien zu finden, die eine hinreichende Unabhängigkeit des Landesverbands von weiteren Dachverbänden gewährleistet.

Die Umsetzung der Zielvereinbarungen soll nach 18 Monaten durch die Landesregierung und die islamischen Verbände geprüft werden. Erst bei einer erfolgreichen Erfüllung der Vereinbarungen können Vertragsverhandlungen zwischen der Landesregierung und den islamischen Verbänden wiederaufgenommen werden.

„Die Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz würdigt die heute mit dem Land Rheinland-Pfalz unterzeichnete Zielvereinbarung als einen ersten Schritt in die richtige Richtung, um die Anerkennung und Gleichstellung muslimischen Lebens in Rheinland-Pfalz und der Muslime voranzubringen. Muslime sind ein unzertrennlicher Teil von Rheinland-Pfalz und sind hier beheimatet. Dieser Realität gilt es Rechnung zu tragen und die Beheimatung der Muslime gesellschaftlich wie institutionell voranzubringen. Hierfür leistet diese Zielvereinbarung einen wichtigen Beitrag, indem es den Stillstand der letzten Jahre beendet und einen aktiven Schritt darstellt. Es gilt, auf diesem Weg mutig voranzuschreiten und unsere gemeinsame Zukunft aktiv zu gestalten“, ergänzt Yilmaz Yildiz, Vorsitzender der DITIB Rheinland-Pfalz.

„Dieser Meilenstein zementiert den gegenseitigen Respekt und die Anerkennung. Die vertrauensvolle und nachhaltige Zusammenarbeit trägt Früchte und wir kommen sehnsüchtig dem Ziel näher, das Leben in Rheinland-Pfalz aktiv zum Besseren mitzugestalten“, so Akif Ünal, Vorstandsvorsitzender der Schura Rheinland-Pfalz.

Der Vorsitzende des Landesverbandes der Islamischen Kulturzentren Rheinland-Pfalz e.V. Gürliyen sagt: „Es ist ein wichtiger Schritt zur Gleichstellung der islamischen Religionsgemeinschaften sowie ein Beitrag für eine institutionelle und transparente Zusammenarbeit mit der Landesregierung.“

„Krisenzeiten, wie wir sie gerade erleben, lehren uns auf ein Neues, dass wir als Gesellschaft zusammenstehen müssen, unabhängig von Religion oder Herkunft, und der Mensch im Vordergrund steht.  Um dieses Ziel auch in alltäglichen Situationen zu erreichen möchten wir als Partner der Landesregierung dabei unterstützen, dass die Muslime in Rheinland-Pfalz ihren Platz in der Gesellschaft einnehmen und ihren Beitrag zu einem gesellschaftlichen Miteinander gegen jedwede Ressentiments leisten, getreu unserem Motto: ‚Liebe für Alle, Hass für Keinen!‘, bekräftigt Navid Haider Ahmed, Landesbeauftragter der AMJ für das Land Rheinland-Pfalz.

In Rheinland-Pfalz leben circa 200.000 Musliminnen und Muslime. Die islamischen Verbände und die Landesregierung streben seit 2014 eine vertragliche Regelung in Anlehnung der Verträge mit den beiden Kirchen und dem Landesverband der jüdischen Gemeinden RLP an. Aufgrund des Putschversuchs in der Türkei im Sommer 2016 wurden die begonnenen Gespräche einvernehmlich ausgesetzt und die eingeholten Gutachten (2014) zu den islamischen Verbänden Islamische Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e.V., Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e.V., Landesverband der Islamischen Kulturzentren Rheinland-Pfalz e.V. (LVIKZ) und Ahmadiyya Muslim Jamaat K.d.ö.R. (AMJ) um Zusatzgutachten ergänzt, um die hinreichende Unabhängigkeit von Einflüssen Dritter auf die Landesverbände zu untersuchen. Im August 2018 wurden die Zusatzgutachten zu den islamischen Verbänden vorgelegt. Aufgrund der darin benannten Problemlage der Islamischen Religionsgemeinschaft DITIB Rheinland-Pfalz e.V. und der Schura Rheinland-Pfalz. Landesverband der Muslime e.V. hatte die Landesregierung entschieden, die im August 2016 unterbrochenen Vertragsverhandlungen mit den vier islamischen Verbänden zunächst nicht fortzusetzen.
 

Teilen

Zurück