| Immaterielles Kulturerbe

Erste Bewerbungsrunde für bundesweites Verzeichnis ist beendet

Die „Genossenschaftsidee“ und die „Kunst, in Morsetelegrafie zu kommunizieren“ - „Satire“ und die „Kultur des Westerwälder Töpferhandwerks“- mit diesen Themen bewerben sich Gruppen und Gemeinschaften aus Rheinland-Pfalz um die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes (IKE). Fristgerecht haben sie ihre Anträge beim Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur eingereicht.

„Die Anträge machen wunderbar deutlich, dass es nicht allein die großen geschichtsträchtigen Stätten und Kulturlandschaften sind, die unsere kulturelle Identität ausmachen und die es wert sind, sich ihre Bedeutung ins Bewusstsein zu rufen. Hinter allen Bewerbungen stehen Fertigkeiten, Künste oder Ideen, die uns in unserer kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung, aber auch in unserem Verständnis von Freiheit und Selbstbestimmung weitergebracht haben. Die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes würde den einmaligen Stellenwert, der diese Anträge auszeichnet, überregional sichtbar machen“, so Kulturministerin Doris Ahnen.

Konzipiert wurde der Antrag für die Genossenschaftsidee als gemeinsamer Vorschlag der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft mit Sitz in Hachenburg und der Deutschen Hermann-Schulze-Delitzsch-Gesellschaft, die in Delitzsch/Sachsen beheimatet ist. Die Genossenschaftsidee beschreibt eine Form der bürgerlichen Selbsthilfe auf Grundlage von Kooperationen, die sich an den unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten der einzelnen Mitglieder ausrichten. Soziale Eigenverantwortung und Wirtschaftlichkeit gehen hierbei Hand in Hand. Auch die Vereinten Nationen haben das Thema für sich entdeckt und 2012 zum „Internationalen Jahr der Genossenschaften“ ausgerufen, um auf deren weltweite und an der steigenden Mitgliederzahl ablesbare Bedeutung aufmerksam zu machen.

In eine ganz andere Richtung geht der Antrag der Interessengruppe Kulturerbe Morsetelegrafie (IKM) aus Hassloch. Sie möchte die frühe Rolle des Morsens vergegenwärtigen. Über viele Jahrzehnte, und dies weltweit, war die elektrische Kommunikation nur mittels Telegrafie möglich und stellte an die Telegrafisten zugleich sehr hohe Anforderungen. Wenngleich neue Techniken das Morsen in seiner Bedeutung ablösten, bemühen sich Amateurfunker bis heute, ihr Wissen an Interessierte weiterzugeben. Laut IKM gibt es allein in Deutschland mehrere Tausend Funkamateure.

Auf die Bedeutung der Satire in nahezu allen kulturellen Gattungsformen möchte die Stiftung Deutsches Kabarettarchiv e.V. (Mainz) aufmerksam machen. Die Ursprünge reichen zurück bis ins antike Griechenland. Hofnarren und Minnesänger setzten sich später als Vorläufer zeitkritischer Liedermacher mit spitzer Zunge über Denkverbote hinweg. Mit Schriftstellern wie Christian Dietrich Grabbe und Heinrich Heine lebte dann die politische Satire auf. Heute ist vor allem satirisches Kabarett - auch international - ein Begriff, nicht zuletzt durch wegbereitende Institutionen wie die „Münchner Lach- und Schießgesellschaft“ und die Berliner „Stachelschweine“.

Das Keramikmuseum Westerwald in Höhr-Grenzhausen und das Töpfereimuseum Breitscheid schließlich widmen sich der Entwicklung des schlichten Töpferhandwerks und der Hafnerware im Westerwald zur weltweit bekannten Keramik. Die Anfänge regionaler Töpferei liegen Jahrhunderte zurück. Aus der einfachen Gebrauchskeramik für Speisen und Getränke und aus dem Töpferhandwerk lokaler mittelalterlicher Werkstätten entstand durch besonders günstige Bedingungen das haltbare, dicht gebrannte und belastbare Westerwälder Steinzeug, das ab ca. 1600 zunächst regional genutzt wurde und sich später international einen Namen machte: in England und den USA kam es ebenso zum Einsatz wie in Afrika und Fernost.

Bis zum 30. November 2013 konnten sich in ganz Deutschland Gruppen und Gemeinschaften in ihrem jeweiligen Bundesland mit einer kulturellen Ausdrucksform für die Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes bewerben. Die vier in Rheinland-Pfalz eingegangenen Bewerbungen werden nun im Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur ausgewertet. Nicht alle Interessensbekundungen der vergangenen Wochen und Monate mündeten in offizielle Bewerbungen; mancher überregionale Vorschlag wurde stellvertretend andernorts eingereicht – prominentes Beispiel ist der „Brauchkomplex Fasching, Fastnacht und Karneval“.

Alle vier in Rheinland-Pfalz gestellten Anträge haben länderübergreifenden Charakter und werden ausschließlich darauf geprüft, ob hierbei formale Kriterien eingehalten wurden. Sie werden anschließend bis Mitte April 2014 über die Kultusministerkonferenz an das Expertenkomitee Immaterielles Kulturerbe der Deutschen UNESCO-Kommission weitergeleitet. Dieses Gremium trifft sich zur Evaluierung aller Vorschläge im September 2014. Voraussichtlich im Dezember 2014 werden dann die ersten Einträge in das bundesweite Verzeichnis präsentiert.

Deutschland ist seit dem 10. Juli dieses Jahres Vertragsstaat des UNESCO-Übereinkommens zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes. Das Übereinkommen fördert und erhält in allen Weltregionen überliefertes Wissen, Können und Alltagskulturen. Zum immateriellen Kulturerbe zählen unter anderem Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturheilkunde und Handwerkstechniken. Seit 2003 stellt die UNESCO diese kulturellen Ausdrucksformen mit einem Übereinkommen in den Mittelpunkt internationaler Kooperation.

Die Erstellung des bundesweiten Verzeichnisses ist eine Bestandsaufnahme kultureller Traditionen in Deutschland. Die Aufnahme ist eine öffentlich sichtbare Anerkennung der kulturellen Ausdrucksform und ihrer Träger. Deutsche Nominierungen für internationale Listen des immateriellen Kulturerbes können erst nach Ende des deutschen Auswahlverfahrens, frühestens im März 2015 bei der UNESCO eingereicht werden.

Weitere Informationen:
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